Angel's Dust.....

von feinstem Musikdestillat wabert über dem Nachthimmel von Brenigs Alter Dorfsaal. In einer drei Stunden Destillation Schrader@Parisi wurde das Beste herausgefiltert und im Resultat ist’s höchste Reinheit und hochprozentig. Ich bin musikbesoffen. Mindestens die ganze Nacht lang. Der Kopf wird und wird nicht still und die Leinwand hinter den Augen nicht dunkel.

Schrader@Parisi-Songs laufen all day long in der Rotation auf den Hithighways der Radiosender. Das sind OneMillionDollar-Hits schon für die BeeGees, Robbie Williams hat ins Songbook gelunst, Crowded House bedienten sich, sogar Madonna hat gefischt und Sir Sting, und und und, das Who’s Who der Popgrößen, war hat da nicht schon alles gecovert! Zwei dermaßen begnadete Künstler rollen der Popwelt den roten Teppich aus! AkustikPop in Reinkultur, so wie MTV-unplugged es definiert, sehr dicht, sehr präsent und präzise, in einer atemberaubenden Ursprünglichkeit, sehr intim, fein, frisch, herz- und hautnah, eben Brenig-like.

Die Vier können es sich locker leisten, mit einem Hit wie Chasing cars zu starten. Andere heben sich das für die Zugabe auf. Das ist doch kerngesundes Selbstbewusstsein, oder? Damit erstürmen sie meinen Gehörgang und machen sich für die nächsten Stunden in meinem Kopf breit wie eine gute Droge. Der Kampfbasser der Brenig-Houseband mit dem „Born to be a rebell“-shirt besticht diesmal mit dem Klangmöbel Cajun unterm Hintern und einmal mehr mit diversen Vokalisten in seinem Kopf. Er bevölkert die linke Bühnenseite, rechts flankiert Bruder Sven, der Typ mit dem unschuldigsten Gesicht des Abends, der es faustdick hinter den Ohren bzw. in den Händen hat. Die fabelhaften Halmers-Brüder nehmen also die Hitfabrik Schrader@Parisi für ungefähr - nach eigenem Ermessen und Wohlseinszustand - 430 Songs in ihre Mitte. Drohung oder Versprechen? Letztendlich reicht das dicke Songbook auf dem Notenständer für ca. drei Stunden Hitcluster, dann wurde aus wahrscheinlich gesundheitlichen Gründen, sprich drohender Ohnmacht nach TILT in den Augen und drohender Verdurstung sowie einem kurzfristigen Überschuss von Sexualhormonen, wirklich die Schlussnummer gespielt. Immerhin flog noch vor den erbettelten Zugaben ein mit rosa Spitze besetztes weibliches Dessous auf die Bühne und wurde dort vermutlich wegen ebenso überschüssiger Sexualhormone zum Objekt der Spaßkultur.

Ohne Flachs, die Jungs zaubern Songs ausm Hut wie andere Kaninchen. Songs mit ohne Halbwertszeit, die besten von heute und die schönsten von vor-vorgestern, als man noch ungestraft Herzchen in die Luft gucken konnte und alles irgendwie gut war. Das Wiederhören verknüpft sich unmittelbar mit dem Damals-Gefühl und macht zum Glück so unglaublich viel Spaß, dass heranwabernde Sentimentalität überhaupt keine Chance hat. Was da auf der Bühne so nebenher an Flapsigkeiten, Frotzeleien und Eigenwerbeslogans querschlägt, treibt mir mehrfach die Lachtränen ins Gesicht. Jörg „Grönemeyer-Sting“ ist dermaßen von der Rolle, dass Franco beinahe dem Lachkrampf erliegt. Wo bleibt denn da die Seriosität? Überall, aber nicht hier. Die Kerle nehmen sich überhaupt nicht ernst. Jedenfalls nicht sehr.

Robbie Williams ist bei Franco ganz besonders gut aufgehoben, er ist mehr als nur nah dran. Come undone – ein magisches Kraftfeld. Nicht, dass ich vergesse Strong zu erwähnen. Und Crazy. Schrader und Sven versprechen You don’t have to be rich. Einzig aber nicht artig, prickelnd, packend und gefühlsecht. Eben MTV, was da heißt: Master of Tremendous Voices. Das ist purer Genuss!

Musik-Minimalismus: Stimme und Gitarre(n) gestützt auf Nano-Perkussion. So einfach wie lustvoll. Kleinkunst auf Saiten ist definitiv Schraders und Svens Angelegenheit. Hohe Schule der Klampfkunst. Das flirrend quietschende Zirren der Finger über den Saiten erzeugt kleine Stromstöße im Kopf für die Sternchen in meinen Augen… Eigentlich schade, warum durfte ein Song wie Feel nicht genau so bleiben und hat stattdessen eine neue Identität bekommen? Ich brenne.

Und mitten hinein in dieses Hitfeuerwerk ist ein kleiner unschuldiger Song gestreut, ja fast versteckt. Er erzeugt für einen Moment ein Error auf meiner Musikdatenbank. Ich bin sicher, ich habe es schon ziemlich oft gehört… Es lässt sich nicht wegklicken, aber Hilfe gibt’s auch nicht. Gitarren-fein und mit wunderschönen Vocals, locker, flockig kommt es daher, mit einem ganz ganz schönen Text, Sorry, for the words I didn’t say… ist eine Ode an die Liebe und nicht weniger als ne Eigenproduktion. Ja, Potzblitz, hört denn das keiner dieser Radiokerle? Sind die denn taub?

Franco und dieser Hocker - so ein Möbel muss doch für ein Energiebündel wie ihn ein Folterinstrument sein. Aber er hält tapfer dran fest. Vielleicht Selbstschutz? Denn wenn er lospowert, erscheint ein Sonnenwind als laues Lüftchen! Wo er ist, ist’s hell und heiß heiß heiß! Ein hypnotisierendes magisches Energiefeld! Und die drei Planeten daneben saugen alles weg und werfen es vervielfacht zurück in den Glutofen. Die Vier sind wahre Naturphänome! Franco ist definitiv der einzig lebendige, aktive Vulkan der Eifel. Keine Ahnung, wo er seine Magmakammern hat und wie er sie füllt, jedenfalls steuert Schrader den Ausbruch so gut es eben geht und gibt auch noch Zunder ebenso wie die beiden Hamers-Brüder, die sowieso hochempfindliche Seismographen sind, die jede noch so kleine Eruption registrieren und verstärken und in einem Fest für die Ohren hörbar machen. Meinetwegen auch Nebenkrater, die jederzeit mit hochgehen können. Hurra, jederzeit wieder! Bei diesen Vulkanausbrüchen möchte ich gern am Abgrund stehn. Dem Brenig-Himmel so nah.

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de

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